Ernesto Cardenal begeistert gefeiert 23. Oktober 200825. Oktober 2008 Einen kulturellen Höhepunkt erlebte die Stadt mit einem spektakulären Besuch: Der 83-jährige Priester, Dichter und Revolutionär Ernesto Cardenal war zusammen mit der „Grupo Sal“ Gast in der Rudolf-Wild-Halle Eppelheim. Auf die gemeinsame Einladung der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden Eppelheim und des Kreisverbandes von Bündnis 90/ Grüne war der Vertreter der südamerikanischen Befreiungstheologie im Rahmen seiner Tournee durch Nordamerika und Europa zu Gast in Eppelheim. Die Organisatoren mussten im Vorfeld der Veranstaltung lange Zeit zittern, ob Ernesto Cardenal überhaupt aus Nicaragua ausreisen durfte. Repressalien in Nicaragua Er wird mittlerweile in Nicaragua mit einer Welle von Repressionen verfolgt, da er von der herrschenden Regierung, seinen einstigen Weggefährten, die Einhaltung demokratischer Spielregeln einfordert. Umso größer war die Erleichterung, als Ernesto Cardenal und die „Grupo Sal“ nach den Auftritten in Madrid und Brüssel in Eppelheim eintrafen. Lothar Wesch, der Stellvertreter des Bürgermeisters, begrüßte den weltberühmten Gast im Namen der Stadt Eppelheim. Stadtrat Martin Gramm, auf dessen persönliche Einladung hin Cardenal und seine musikalischen Begleiter nach Eppelheim kamen, zitierte in seiner Begrüßung Ingrid Betancourt, grüne Präsidentschaftskandidatin in Kolumbien, die nach ihrer Entführung mehr als sechs Jahre in Geiselhaft im kolumbianischen Dschungel festgehalten wurde. Bei ihrer Dankesrede vor dem europäischen Parlament für die Hilfe bei ihrer Befreiung sagte sie, dass sie sich für Südamerika viele solcher „Tempel der Worte“, wie sie das Parlament bezeichnet, wünsche. Die Rudolf-Wild-Halle wurde nicht nur ein „Tempel der Worte“, sondern auch ein „Tempel der Musik“. Ernesto Cardenal (M.) mit (v. l.) Pastoralreferent Saam, Pfarrer Goebelbecker, Stadtrat Gramm, Dolmetscher Götte. Bild: Thomas Gramm Theologe mit Kultstatus Ernesto Cardenal: Schon seine äußere Erscheinung hat Kultstatus – die schwarze Baskenmütze auf dem langen weißen Haar, sein weißes Bauernhemd, Jeans und barfuß in Jesuslatschen. Nicht nur äußerlich verkörpert er gleichsam eine Symbiose aus Christ, Marxist und Che Guevara. Kaum ein anderer Dichter Lateinamerikas hat als Literat, Theologe, Politiker und Agitator eine bewegendere Rolle gespielt, sein Lebenslauf ist ein Ringen der lateinamerikanischen Länder um Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit. Cardenal erzählt authentisch in seinen Gedichten über sein wohl recht wildes vorpriesterliches Leben, in seinen Memoiren spricht er von einem Wettlauf; er sei hinter den Mädchen hergewesen, aber Gott sei schneller gewesen und habe ihn in ein nordamerikanisches Kloster gesteckt, wo er Theologie studierte und zum Priester geweiht wurde. Er klagt nicht an, auch in seiner Rolle als Revolutionär sei er immer von Gottes Liebe umgeben. Gottes Liebe, die Liebe Cardenals zu den Menschen, zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung. Ernesto Cardenals spanische Worte wurden von Klaus Götte, einem bekannten Schauspieler, kraftvoll ins Deutsche übersetzt. Cardenal sprach über die grausame Diktatur in Nicaragua, gegen die er kämpfte, die Menschen, Junge, Alte, Frauen, Männer und Kinder, in Latrinen verschwinden ließ. Er spricht auch in den Stunden der Angst und Bedrängnis von der Liebe zu den Menschen und zu Gott. Cardenal spricht über das Universum, jeder im Saal spürte, wie klein und unbedeutend wir im Kontext der Schöpfung sind. Aber dennoch habe jeder Verantwortung für seine Nächsten, diese Botschaft war eindringlich zu spüren. Zwischen den einzelnen Teilen der Lesung spielte die „Grupo Sal“ lateinamerikanische Musik, jene Musik, die von tiefer Melancholie bis hin zu überschäumender Lebensfreude reicht. Die Musik wurde zu einem Spiegelbild zur Kraft der Worte jenes kleinen Mannes auf der Bühne der Rudolf-Wild-Halle. Jener Ernesto Cardenal, der 1980 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhielt und 2005 und 2007 auf der Vorschlagsliste für den Literaturnobelpreis stand. Stehender Applaus für Cardenal Die Veranstaltung wirkte weit über Eppelheim hinaus, Besucher aus Bochum, Mainz, Karlsruhe waren zu dem außergewöhnlichen Kulturereignis nach Eppelheim gekommen. In einer Zeit, wo es scheint, dass nur noch Comedy und leichte Kost als Kultur bezeichnet werden, ging von Ernesto Cardenal und seine Begleitern ein Signal der Hoffnung und Zuversicht aus. Am Ende der Veranstaltung gibt es stehenden Applaus für Ernesto Cardenal und die „Grupo Sal“, die vor Freude über so viel herzliche Teilnahme umgehend eine Zugabe folgen ließen. Die Kraft der Worte und der Musik werden noch lange wirken, weit über Stadt hinaus. Nach der Veranstaltung sprachen Ernesto Cardenal und die „Grupo Sal“ vom schönsten Gastspiel ihrer Tournee, ein schöneres Kompliment hätten die Veranstalter nicht bekommen können. (mg) Klicken Sie hier, um den Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung vom 13.10.2008 zu lesen: